Autor: Günter Ammon

Die Familiendynamik von Borderline-Patienten ist eine spezifische.

Die Familiendynamik von Borderline-Patienten ist eine spezifische.

Die Mutter und die Primärgruppe verhalten sich dem Kind gegenüber wechselhaft; häufig werden isoliert schulische Leistungen beachtet. Ein beständiges Gefühl von Geborgenheit wird dem Kind nicht vermittelt. Einzelne Bezugspersonen jenseits der Familiengruppe können dem Kind beschränkt das Gefühl von Geborgenheit geben. Das Kind als wertvolles, zu respektierendes Wesen im eigenen Recht mit Gefühlen und Ängsten wird nicht ernst genommen.

Es besteht kein Interesse am Kind, und mit dem Kind selbst wird in diesen Familien nicht gesprochen, sondern nur über das Kind; wie es sich benimmt, ob es gehorcht, ob es die verlangten Leistungen bringt oder nicht. Kreative Phantasien, Gedanken, Spiele, die nicht zweckvoll scheinen, aber ein spielerisches Entwickeln von Identität beinhalten würden, werden nicht gestattet. Das gefühlsmäßige Klima in Borderline-Familien ist in der Regel durch symbiotische Atmosphäre und abruptes Verlassenwerden bestimmt, durch Langeweile und auch Kälte.

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Verstehen heißt Hilfe anbieten

Sich mit Fällen von Kindesmißhandlung, den Opfern und den Tätern zu beschäftigen, löst intensive Gefühle aus, bzw. wegen der Entsetzlichkeit der oft grausigen Geschehen eine enorme Abwehr. Wir sehen unsere Aufgabe darin, dem Täter und damit der durch ihn betroffenen Gesellschaft gerecht zu werden. Bei diesem Vorhaben fanden wir gerade große Hilfe bei Justizbehörden, die die Unmöglichkeit eines Schuld-und-Sühneprinzips am konkreten Fall erleben, die aber theoretisch und praktisch in der Frage, was statt dessen zu tun sei, alleingelassen werden.

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Die latente passiv-aggressive Kollaboration des Staates

Anscheinend aber ist die gruppendynamische Durchleuchtung von Familienprozessen immer noch tabuisiert. Dies drückt sich auch aus in der viel zu geringen Einrichtung von Elterngruppen in Schulen und Kindergärten und in der Individualisierung von Konflikten, d.h., es wird nur von Problemkindern, verhaltensgestörten Kindern und von minimal brain damage gesprochen. Erschreckend klar wird diese Dynamik an einer amerikanischen Untersuchung, die experimentell Aggression in der Öffentlichkeit untersuchte (SHOTLAND/STRAW, 1976). Die Ergebnisse waren so, daß bei öffentlich zu beobachtender Aggression in 60% der Fälle Nachbarn einschritten, wenn sie meinten, daß sich dort zwei fremde Personen stritten. Wurde die Vermutung nahegelegt, daß sich dort Familienangehörige stritten, griffen nur 19% ein.

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Kindesmißhandler waren einmal selbst mißhandelte Kinder

Vorwort

Kindesmord durch eigene Eltern sollte ursprünglich der Titel dieses Bandes sein, um den Aufrufcharakter unverkennbar allen Lesern zu übermitteln. Jenseits aller Psychologie sind die Autoren schlechthin ergriffen von der Tatsache, daß - wie in diesem Band beschrieben - ein sieben Jahre altes Mädchen von der eigenen Mutter nachts aus dem Fenster gestoßen wird. Es klammert sich mit seinen Händchen noch am Fenstersims mit bittenden Worten fest, doch die Mutter löst Finger um Finger, bis das Kind in die Tiefe stürzt, wo es dann zerschmettert liegen bleibt.

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