Martin Dorahy

Zur Psychodynamik der Scham

Scham und Schuld sind entsprechend der bisherigen fachlichen Äußerungen sehr komplexe, seelisch belastende Gefühlsqualitäten, die regelhaft bei Psychotraumapatienten auftreten. Diese Gefühlsqualitäten werden häufig durch grenzüberschreitende Gewalt in spezifischen traumatisierenden Interaktionsstrukturen in das Traumaopfer eingepflanzt und chronifizieren sich im Laufe vieler Jahre. Ohne eine Bewusstmachung im Rahmen einer Psychotherapie oder stark divergenter Lebensumstände sind diese Prozesse schwer veränderbar. Scham und Schuld haben sowohl einen klaren Opfer- als auch einen geprägten Täter-Opfer-Aspekt. Der erstere, der Opfermodus, ist im Grunde ein tragischer, isolierter, manchmal magischer Eigenbezug des emotional bloßgestellten, beschämten und beschuldigten Individuums, welches sich nicht gegen infame, verdrehte Darstellungen der Täterpersonen wehren kann.

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