Triggerwarnungen

Triggerwarnungen tauchten erstmals Anfang der 2000er Jahre auf feministischen Websites auf, um die Leserinnen vor heiklen Themen wie sexuellen Ubergriffen, Kindesmissbrauch und Selbstmord zu warnen. Das veranlasste Studierende in amerikanischen Eliteinstitutionen, solche Warnungen auch für den Unterricht zu fordern. Das Oberlin College war das erste amerikanische College, das 2014 Richtlinien für Triggerwarnungen als Teil seines Leitfadens für den Umgang mit sexuellen Übergriffen erstellte. Den Lehrkräften wurde geraten, »Trigger zu erkennen, unnötige Trigger zu vermeiden und Triggerwarnungen zu geben«. Oberlin gab die Richtlinie allerdings bald wieder auf, da die Liste potenzieller Trigger endlos zu werden drohte (Gersen, 2021; Übersetzung M-S.L.). Seit 2020 finden sich auch in Deutschland vermehrt Triggerwarnungen im Kunst- und Medienbereich: »Dieser Text enthält explizite Darstellungen psychischer und physischer Gewalt. Die Inhalte können auf Leser:innen belastend oder retraumatisierend wirken.«

Allerdings gibt es keine empirischen Belege dafür, dass Triggerwarnungen für Menschen mit posttraumatischer Belas-tungsstörung tatsächlich hilfreich sein können. Die Forschung hat nicht gezeigt, dass Triggerwarnungen bei traumatisierten Probanden zur Anwendung von stressreduzierenden Strategien führen. Sie führen auch kaum zur Vermeidung solcher Inhalte (Bridgland, Barnard & Takarangi, 2022).

Es spricht jedoch einiges dafür, dass Triggerwarnungen für verschiedene Personengruppen auf unterschiedliche Weise schädlich sein können. Für Menschen, die tatsächlich an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, halten Traumaspezialisten wie Richard McNally Triggerwarnungen für kontratherapeutisch, da sie die Vermeidung von Erinnerungen an das Trauma fördern; genau dieses Vermeidungsverhalten ist es aber, das eine posttraumatische Belastungsstörung aufrechterhält (McNally, 2016). Experimente zeigen zudem, dass Triggerwarnungen Angst und negative Erwartungen hervorrufen, insbesondere wenn die Probanden den Triggerwarnungen eine Schutzwirkung zuschreiben (Wahlsdorf et al., 2024, S. 52). Wer glaubt, von etwas verletzt werden zu können, entwickelt nicht selten Ängste und fühlt sich selbst verletzt. Dieser Nocebo-Effekt funktioniert ähnlich wie der Placebo-Effekt.

Auch für gesunde Menschen enthält die Triggerwarnung eine abschreckende Botschaft, die selbst schädlich sein kann, weil sie suggeriert, dass Literatur, die ihre Leser emotional aufwühlt, psychische und physische Schäden verursachen kann. Dies kann auch bei nichttraumatisierten Menschen die Abneigung verstärken, sich überhaupt mit schwierigen Themen zu befassen, die erschrecken und aufwühlen.

Dies ist jedoch Teil der Ausbildung in vielen Fächern und gehört generell zum Bildungsprozess des Erwachsenwerdens.

Darüber hinaus können sich Warnhinweise kontraproduktiv auf die ästhetische Auseinandersetzung mit den betreffenden Kunstwerken auswirken. Sie können das Verständnis eines Romans oder Films erschweren, indem sie die Aufmerksamkeit auf einzelne Szenen lenken, so als sei die Thematisierung von Gewalt im Film oder Roman nicht Teil eines künstlerischen Ganzen, sondern ein isoliertes Gewaltgeschehen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Triggerwarnungen für psychisch (noch) Gesunde und für Bildungsprozesse eher schädlich sind, während sie den wirklich Traumatisierten nicht nützen.

► Maria-Sibylla Lotter: Der Mensch als verletzliches Wesen (2025)

Maria-Sibylla Lotter   |   Tags: politik, trigger