Tag: Politik

Die Gesellschaftlichkeit des Individuums [und die Wichtigkeit von Selbsthilfegruppen]

Bis jetzt haben wir stark das individuelle Vorgehen mit einer Betroffenen betont. Das haben wir gemacht, weil wir der Meinung sind, dass Betroffene viel Hilfe und gesellschaftliche Unterstützung brauchen, damit sie ihre Probleme verarbeiten und entdecken können, dass sie wertvolle Menschen sind. Dabei soll die Therapie aber nicht aufhören. Wird dabei ausschließlich auf der individuellen Ebene gearbeitet, besteht die Gefahr, auch öfters für Psychotherapeuten, dass Inzest als ausschließlich individuelles Problem behandelt wird, das es jedoch nicht ist. Unsere Gesellschaft wirkt auf eine bestimmte Art und Weise daran mit, dass es zu Inzest kommt und weiterhin kommen wird. Nun ist es natürlich schwierig, die ganze Gesellschaft in unseren Therapieraum hereinzuholen.

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Übersehene Kinder wollen vor allem eins

“Übersehene Kinder” wollen vor allem eins: Nicht mehr länger als engste betroffene Angehörige psychisch kranker Elternteile übersehen werden! Weder in ihren aktuellen Beziehungen zu Menschen noch von der Fachwelt oder der Gesellschaft. Sie wollen sich wiederfinden in den gesellschaftlichen, fachlichen und feministischen Diskursen zu den Themen (gesellschaftliche) Macht- und Gewaltverhältnisse, Traumatisierung und ihre Folgen, Rolle der Mütter, Väter und Familien, Psychische Erkrankungen, inklusive der Bereiche psychiatrische Praxis, Prävention, Therapie und Opferentschädigung. Sie wollen, dass über psychische, physische und sexuelle Gewalt und ihre (Traumatisierungs-) Folgen mehr Aufklärung erfolgt sowie Bewusstsein und Wissen in der Gesellschaft entsteht - bei den Betroffenen, aber auch in therapeutischen und juristischen Zusammenhängen.

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Der betroffenenkontrollierte Ansatz

Gewalt ist kein persönliches Stigma, sondern erlebtes Unrecht. Gewalt ist eine auf Machtstrukturen basierende Handlung, die einen Menschen auf ein Objekt reduziert. Das Definieren des Erlebten als Gewalthandlung ist der Beginn der Wiederaneignung des Subjektstatus. […] Aus der Analyse leitete sich unmittelbar ab, dass Selbstbestimmung im Bearbeitungsprozess sexualisierter Gewalt von zentraler Bedeutung ist. […] Vor allem in der öffentlichen Diskussion um sexualisierte Gewalt wird Betroffenen zunehmend zugestanden, Expert*innen zu sein. Dabei werden sie - wie auch im fachöffentlichen Diskurs - teilweise als „Expert*innen aus Erfahrung“, teilweise als „Expert*innen in eigener Sache“ bezeichnet. […]

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Die Täter-Opfer-Wippe: Einleitung

Wir fragten uns oft, zu welchen relevanten Themen wir öffentlich Stellung beziehen können und wollen. In den letzten Jahren ging es uns um die sogenannte Effektivität in der psychotherapeutischen Profession und unseren Zweifel am Machbarkeitswahn einer streng an Leitlinien orientierten oder rein verfahrensspezifischen Psychotherapie (Trautmann-Voigt & Voigt, 2020). Es ging uns um konstruktive Kritikversuche am festgefahrenen Schulendenken zwischen Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie und um Konzepte einer Methoden integrierenden Psychotherapie (Trautmann-Voigt & Voigt, 2017). Im vorliegenden Buch stehen nun drängende Fragen nach der Dynamik von struktureller und Menschen gemachter Gewalt und Macht-Ohnmacht-Konstellationen im Vordergrund der Betrachtung. Dabei geht es tatsächlich auch um so große Fragen wie die nach der Würde des Menschen, um Respekt vor dem Andersartigen und um die Hintergründe von verabscheuungswürdigem und missbräuchlichem Handeln.

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Die Täter-Opfer-Wippe: Verantwortung

“Reichen Schutzmaßnahmen für Mitglieder helfender Berufe aus? Es geht ja um eine zunehmende gesellschaftliche Radikalisierung und Enthemmung Einzelner oder bestimmter Gesellschaftsgruppen, denen grundsätzliche Fähigkeiten wie Konfliktbereitschaft, Spannungstoleranz, Frustrationsbereitschaft, Diskursfähigkeit sowie Empathie zu fehlen scheinen. Das intuitive Empfinden für eine gute Balance und Ausgleichsbemühungen zwischen extremen Handlungsmöglichkeiten sind bei diesen Menschen erstarrt. […]

Fast scheint es so, als habe sich diese Pathologie mit hoher Gewaltbereitschaft und Intoleranz dem “Fremden” gegenüber nicht nur auf Einzelne, sondern auf ganze Schichten, Gesellschaften und Staaten ausgedehnt. Was erleben solche TäterInnen als Recht, was als Unrecht? Wieso erleben sie sich als hilflose Opfer der Gesellschaften, in denen sie leben? […]

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The moral stance of the therapist

Survivors of atrocity of every age and every culture come to a point in their testimony where all questions are reduced to one, spoken more in bewilderment than in outrage: Why? The answer is beyond human understanding.

Beyond this unfathomable question, the survivor confronts another, equally incomprehensible question: Why me? The arbitrary, random quality of her fate defies the basic human faith in a just or even predictable world order. In order to develop a full understanding of the trauma story, the survivor must examine the moral questions of guilt and responsibility and reconstruct a system of belief that makes sense of her undeserved suffering.

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The Need to Punish

I want to emphasize that the “stranger” in us is bred by a culture that won’t accept the spontaneous expression of children’s aliveness and vitality. This aspect of a culture gives rise to violent behavior and is responsible for the development of deficient identities. Personalities formed by the processes producing the inner stranger were never able to develop trust as an underlying component of their personality. Instead, they take on a “false identity” that makes them idealize repressive authorities in the hope that they will be rescued by the very people who are their tormentors.

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Toxic Leaders

Die Geschichte des Beobachtens statt des Handelns wiederholt sich immer und immer wieder. So können toxische Personen stets viel zu lange ihr Unwesen treiben, bevor sie vom Korrektiv gestoppt werden. Das ist nicht nur schädlich für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, es fordert auch unzählige unnötige Opfer, die weit weg von der Öffentlichkeit still leiden und keinen Schutz erfahren. […]

Jeder von uns, der Demütigungen und seelischen Missbrauch bei Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, Freundinnen und Freunden beobachtet und sich aus Eigenschutz nicht vermittelnd für die Schwächsten in unserer Gesellschaft einsetzt, legitimiert diese zunehmende Form von psychischer Gewalt und ebnet Nachahmern das Feld. […]

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Trigger-Warnungen: Zur Politisierung eines traumatherapeutischen Konzepts

In welchen auch subtilen Formen sich Herrschaft und Gewalt zeigen, wie sich verschiedene Ebenen von Ungleichheit überlagern, wie alle Beteiligten in sie verstrickt sind, sie jede Faser unseres Körpers durchziehen und wie gesellschaftliche Widersprüche noch die Widerstandsformen durchwirken, lässt sich nur analysieren in einem kritischen Sicheinlassen auf die Abgründe gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Beziehungen und Konflikte, eine Auseinandersetzung, die für alle Seiten schmerzlich ist. […]

Die alleinige Konzentration auf potenziell verletzende Darstellungen öffnet auch die Tore dafür, dass in den Kämpfen noch ganz andere Bedürfnisse ausgelebt werden können, nämlich tatsächlich dasjenige, sich gar keinen kritischen Auseinandersetzungen stellen zu wollen.

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